Die lebend Todgeburt
Leise prasseln Regentropfen auf der Erden Antlitz. Mit offenen Armen
und geöffneter Haut empfange ich ihr kurzes Sein. Stetig durchdringen
sie mein Haar, nässen meinen Leib, verdünnen mein Blut...
Von dieser Anhöh, geschaffen durch der Menschen Hand, beobachte
ich des Regens Lebensweg. Kaum geboren in den Himmelsweiten, stürzen
sie hinunter, in den Abgrund nie gesehner Angst. Noch vor dem ersten
Atemzug, zerreißt ein Schlag ihr Herz und zerstört ihr
Leben. Ein dumpfer Aufprall bleibt zurück, nur hörbar durch
den tausendfachen Hall...
So schließe ich die Augen, blicke zurück auf meine Geburt
und setze meinen Fall fort. Ein Schritt nach vorn, ein zweiter folgt,
die Anhöh schwindet, die Luft sie weichet, der Boden nährt
sich doch nur seinem Ziel.
Ich fühl den Fall, spür tiefster Verbundenheit zu des Himmelstränen.
So fern sie schweben von mir fort, so nah sie sind, ich greif sie
dort. Die Augen öffnen letzten Augenblick und durch der Zeiten
Schnellgeschick, erahnt mein Blick verschiedene Lebenswelten...
Ein junges Paar sich stöhnend auf dem Küchentisch vergnügend.
Alten Mann seh ich ein wenig später, sitzend auf dem selben Platz
als sei das Fernsehn sein kostbarster Schatz. Schweigend streiten
stumme Menschen, schreien dummes Unverständnis.
Doch was ist das? Ich muss nun halten! Sollte hier gar Menschlichkeite
walten? Lautlos liegt sie schreind da. Verbirgt sich selbst in dunkler
Ecke, zieht die Klinge, auf das sie schmecke, des Lebens Ringe...
Mein fallend Tropfen zieht mich nieder, doch ich will nie wieder meine
Blicke von ihr nehmen. Geh allein du Geisel menschlichen Verlangens!
War schon lang genug gefangen! Erlöse dich nun von mir selbst.
Geist geh mit und fühl der Emotionen Schmerz! Ihr ward die Leiter
meiner Unvernuft. Ihr ward der Dummheit größter Trumph.
Hier sei das Ende unsres Lebens, ich seh meinen Blutregen, fallen
auf der Menschenwege. Ich hör den Hall, alleine unter seinen
Brüdern. Ich seh den Leib, zerschmettert neben seinen Schwestern.
Doch ich bin hier, fernab von Menschlichkeit und Tier. Bin ich ein
Nichts ganz ohne Geist? Bin ich die Leere falscher Herzen? Kann ich
so sein, als wie ich bin? Ja, denn ich bin der Sinn!
Geboren durch ihren Todeswunsch, erblick ich neuen Fall in meiner
Existenz. Gepriesen sei ihr schwaches Herz, gehuldigt ihre Unvernuft!
Hat mich errettet aus dem eignen Seelensumpf. Nun will ich "leben",
endlos weiter walten. Jetzt kann ich streben, ewig schalten!
Der gestoppte Fall
Die Zeit ist keine Geisel mehr. Ewig kam ich zu ihr her, ein Häufchen
Staub nur blieb zurück. Ihr Leib ist des Lebens längst entrückt.
Tränen fielen hier zu Tode, Trauer liebte diesen Ort. Doch keinem
Menschen war dies ein heimisch Hort, drum ging ich bald schon fort...
Auf der Gezeiten Wellenrücken, konnt ich überbrücken,
endlose Äonen hoher Menschlichkeit. Ich lernte viel von ihrer
Welt, ich sah die Wesen ihres Lebens. Doch was einst Gabe, wurd nun
Fluch. Der Schleim ihr Überheblichkeit beschmutze meinen nicht
vorhandenen Leib. Des Menschen angeborene Fehlerhaftigkeit durchdrang
den Sinn der räumlich Endlichkeit und trieb mich fort...
So stoppte mein Fall zum nährend Boden, genommen war der leise
Hall, der ohne Trauer meinen Tod verkündet hätte. Ich stand
nun zwischen allen Zeiten. Ewig muß ich nun verweilen in den
Endlichkeiten dieser Weiten. So rann ich fort von allen Menschen,
suchte Ort gemacht als Heim. Tausend Jahre mußt ich suchen,
bis ich fand dies lieblich Hort. In den Wäldern tief verborgen,
kalt bedeckt durch Erd und Moos, fand ich dieses Höhlenwunder
und empfand es als famos. Hier kann ich warten, kann vergessen und
von Ewigkeiten essen...
So verging der Zeiten Welt. Langsam flossen Erdenwege durch mein altes
Sinngewebe und ich verging in Selbstvergessenheit...
Des Wesen neuem Glücke
In stummen Sinnen wurd ich Jahre. Doch da ich Menschlichkeit bewahre,
erklomm mich bald die Einsamkeit. So begann ich zu erkunden dieses
tausendjährige Höhlenwunder. Wurzeln alter Pflanzen suchten
hier erfolglos Halt und das einzge was hier schallt, es ist der Krabbeltiere
Fall. Schweigend wählen sie die Wege, auf das sich neues Lebensglücke
rege. Einer rast zur Höhlendecke und als erreicht der höchste
Punkt, zwingt ihn eine alte Wund zum fallen. Wie ein Tropfen nährt
er sich dem Boden, ohne Atem schlägt sein Herz. Doch der Sturz
erweist sich als die höchste Freude und ganz ohne Reue zerschlägt
er auf dem Fels. Das Glück des Unbewußten wird geboren,
erhebt sich und geht schnell verloren. Tausendfach in allen Erden,
spürt man solch Gebärten...
So kann ich nun in stummer Einigkeit der Wesen höchste Glückseeligkeit
in allen Weiten fühlen. Ganz ohne Euphorie und Glück erfaßt
mich dieser seltsam Strom und trägt mich fort, doch bleib ich
hier. In Einigkeit mit dieser Welt kann ich nun weilen. Das Leben
fließt durch meine Sinnesadern und gibt mir neue Fallensexistenz.
Doch diesmal schweb ich, ohne Angst und Reue und ohne das ich etwas
scheue, verlass ich meinen heimisch Ort. Ein weitres Mal will ich
erkunden, ein zweites Mal will ich verstehn. Ich will die Menschlichkeit
vergehen sehn, wenn sie zu dumm sind, dies zu fühlen. So lasse
ich mich leiten, von den neuen Fühlenszeiten, zu einem neuen
Lebensort, zu einem Menschenhort...
Das Gespräch
Bald schon eil ich durch die Gänge dieser Höhle. Ein stummen
Laut hab ich vernommen. Jetzt hat der Menschen letzte Chance begonnen...
Ein seltsam Anblick wird mir kund. Ein paar Menschen, umringt nur
von sich selbst, leben scheinbar hier in meinem Heim. Schwarze Kleider
verhüllen ihren Leib und lange Haare bedecken ihr Gesicht. Unberührt
vom Weltenlicht hör ich eine ihrer Fragen. Stummheit ist die
erste Antwort. Verwirrung meine Reaktion. In der Bedeutungslosigkeit
des Rätsels liegt ein ganzes Weltverständnis. Ihre Augen
suchen stumm den Meister, von ihm erhofft man eine Lösung. Doch
aus Angst vor Falschheit schweigt und denkt er. Stille treibt die
Zeit vorran. Erdenkörner sammeln sich auf Menschen. Alter kommt,
bringt graues Haar.
Als die Antwort längst gefunden, tausendfach geprüft und
über Stunden lang bedacht, zerreißt die Staubschicht auf
dem Meister. Falten wirft das alt Gesicht. Lächeln stützt
sich auf die Weisheit, sein alter Mund, er öffnet sich. Doch
eh ein einzger Ton vernommen, stirbt des Wissens Wesensheim. Nur stumme
Leiche gibt noch Kunde...
Augen ruhen trauernd dar. Mit einem Rucke erhebt sich alter Jüngling,
küßt den Meister, setzt sich nieder. Ein weitres Mal ertönt
die Frage, ein neuer Meister schweigt in alter Lage...
Diese Menschen sind mir Nahe. Ohne fallen, stürzen sie! Auf keiner
Existenz bereiten sie die Zeiten und fliehen vor dem eignen Sein.
Niemand hier will menschlich sein. Und doch sind sie die höchsten
Menschgeschöpfe, Ehrerbietung zeug ich hier! Im tauben Hasse
retten sie die eigene Art und ganz ohne Rat von Gott und Meistern,
lernen sie das wahre Sein. Niemand hier denkt an "Mein und Dein".
Selbst im Tod sind sie noch rein...
Beflügelt durch dies neue Wissen, will ich verlassen mein altes
Höhlenheim. Ich hab gesehen alle Zeiten, ich hab vernommen der
ewig Endlichkeiten. Vor Äonen hat man mich geboren, doch nun
will ich sein verloren. Die Welt dreht sich auch ohne mich. Nehm mich
zurück von diesem Licht! So will ich suchen meinen eignen Fall....
Todesreinkarnation
Tausendfacher dumpfer Hall dringt durch mein Sinneswesen. Regentropfen
fallen nieder, prallen auf und schallen wieder. So wie es begann,
so soll es nun enden! Ich fahr herauf zu ihren Wolken. Blick mich
hier um, in dieser Schwärze. Ich seh die Geburt des reinen Todesglückes,
ganz ohne Herzen, stürzen schon in tiefe Ängste...
Was seh ich dort? Ein seltsam Tropfen! Glänzt gar menschlich
zu mir her. Schnell will walten und ihn halten, doch er flieht vor
meinem schalten! Ich folge ihn in seinem Fall, will ihn beschützen
vor dem Hall. Ganz ohne Trauer folgt er seinen Brüdern und entzieht
sich meiner Macht. Ich hör den Aufschlag seines zerschmetternden
Leibes, so wie immer, ganz ohne Leid. Ist gestorben ohne je zu Leben,
ganz wie ich, mein Geist fängt an zu beben. Jetzt erkenn ich
dieses Weltenspiel. Nun fall ich zu Boden hier. Ohne Angst und Reue,
lasse ich mich hinunter treiben. Boden nährt sich doch nur seinem
Ziel.
Hab gelernt, was Liebe heißt. Hab vernommen viele Tode. Hab
gesehen vieler Welten. Hab beschritten viele Zeiten. Meine Ewigkeit
nährt sich dem Ende und ganz behende strebend ich darauf zu.
Auch wenn ich nun als Sinne sterben werde, so hab ich doch nie existiert.
War nur Gedanke ohne Geist, nun weiß ich endlich was das heißt!
Doch keine Worte möcht ich äußern, ich nähre
mich zu schnell dem Ziel. Der letzte Augenblick in meinem Leben, sei
erfüllt von Schweigen. Still will ich denken und verstehen und
erst wenn ich am vergehen bin, will ich äußern was der
Weltensinn.
Höret... meinen Hall...